Multimorbidität am Scheideweg: Investition in Menschen?
Problem: Die Bewertung der Wirksamkeit von Gesundheitsprodukten, Verfahren und Versorgungsformen ist beileibe noch keine Bewertung ihres Nutzens. Die Verfahrensordnung des G-BA zur Bewertung des Nutzens von Arzneimitteln nimmt in § 35a SGB V dazu Stellung.
Lösungsbeispiel: Nutzen oder Zusatznutzen eines Arzneimittels sind nicht an medizinischen Surrogat-Markern festzumachen. Nutzen ist immer der für den Patienten relevante Behandlungseffekt, sein Therapieziel. So profitiert der Patient am meisten – neben der Verkürzung der Krankheitsdauer oder der Verringerung von Nebenwirkungen (Kriterien seiner krankheitsbezogenen Lebensqualität) – von einer Verbesserung seines biopsychosozialen Funktionszustandes bzw. seiner gesundheitsbezogenen Lebensqualität.
Ergebnis: In einem von Sparzwängen geprägten Gesundheitsmarkt bedarf es zusätzlicher starker Argumente, will man der wachsenden Skepsis von Politik, Ärzten und nicht zuletzt Patienten gegenüber teuren Innovationen begegnen. Deswegen ist es notwendig, schon in frühen Phasen der klinischen Prüfung nach denjenigen Parametern und Kriterien zu fragen, die für die spätere Vermarktung, vielleicht sogar für die Zulassung, an Bedeutung gewinnen.
Vitalität und gesundheitsbezogene Lebensqualität sind heute objektiv, reliabel und valide messbar. Bekannt und gängig zur Nutzenbewertung sind Gesundheitsfragebogen (z.B. SF 12 oder 36). Sie arbeiten mittels subjektiver Selbsteinschätzung des Patienten. Es resultieren einzelne Dimensionen seiner gesundheitsbezogenen Lebensqualität. Ein Summen-Score fehlt.
Ein von uns favorisierter funktions- und fähigkeitsdiagnostischer Messansatz hat zwei Vorteile: Er liefert vertiefend zur Selbstbeurteilung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität objektive Hintergrund- und Zusatzinformationen zum Nutzen einer Behandlung (Biofunktionaler Status BFS).
Der aus dem Biofunktionalen Status ermittelte alters- und geschlechtsvalidierte Summen-Score (Biofunktionales Alter BFA) ist international einzigartig. Er eignet sich für die objektive PRÄ-POST-Verlaufsbeurteilung der Gesundheit, Vitalität und Lebensqualität des Patienten: Mit der sogenannten Vitalisierungsrate (Verbesserung in Jahresäquivalenten) können bspw. AM-Hersteller auf innovativem Wege ggf. den Nachweis für einen Zusatznutzen von Arzneimitteln für bestehende oder für veränderte Einsatzgebiete (Indikationen) führen.
Die technologischen Grundlagen für das neuartige medizinische Diagnostikverfahren wurden im interdisziplinären Alternsforschungszentrum der Universität zu Leipzig entwickelt.
Prof. Dr. phil. habil. Walter Beier, hochverdienter und langjähriger Ehrenpräsident unseres Vereins († 2016), wird 1973 zum ordentlichen Mitglied der Nationalen Akademie der Wissenschaften LEOPOLDINA gewählt.
Walter Beier entwickelt das für die theoretische Gerontologie wichtige Vitalitätskonzept. Es bildet die Grundlage für viele wissenschaftliche Fragestellungen der Alternsforschung. In diesem Kontext erarbeitet Beier eine multidimensionale vektoranalytische Methode zur Bestimmung des biologischen Alters des Menschen. Sie fundiert wissenschaftstheoretisch Gerontologie und Medizin.
Erstmalig wird gemeinsam mit behandelnden Frauenärzten und der Pharmaindustrie eine Studie zum Nutzen der Hormonsubstitution HRT durchgeführt.
Bei Frauen mit manifestem klimakterischen Syndrom wird deren Vitalität und Lebensqualität bzw. deren PRÄ/POST Vitalisierungsrate gemessen. Ihr durchschnittliches kalendarisches Alter: 53 Jahre. Der HRT-Behandlungszyklus beträgt exakt 2 Monate.
Ergebnisse: Anhand des Biofunktionalen Alters der Patientinnen wird eine Vitalisierungsrate von 10 % ermittelt. Das entspricht einer Verbesserung ihres biopsychosozialen Funktionszustandes und ihrer Lebensqualität um durchschnittlich 5, in Einzelfällen bis zu 15 Jahresäquivalenten.
Ferner werden Aussagen zum Zusatznutzen getroffen: Durch eine nur zweimonatige HRT profitierten die Patientinnen im Hinblick auf ihre Vitalität, Leistungsfähigkeit und Lebensqualität nachweisbar in ihren kognitiv-mentalen Fähigkeiten (Reaktionszeiten, Konzentrationsfähigkeit, Gedächtnisleistung) und ihrer Psychomotorik (Koordination, psychomotorisches Tempo). Auch das emotional-soziale Beschwerdebild der Frauen (körperliche und emotionale Befindlichkeit, Stressanfälligkeit, Depressivität) und psychovegetative Funktionsgrößen (Performance Pulse Index im submaximalen Kreislaufbelastungstest, Ruheblutdruck) werden positiv beeinflusst.